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Teil 1: Quarantäne-Mähne Superspreader

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:My Corona

von Daniel Görbing

Toller Auftakt für meinen ersten Blogeintrag überhaupt:

Ich bin eigentlich nicht der Typ, der sich irgendwelche Beautyvideos auf YouTube anschaut.

Schon klar, welcher Kerl würde das nicht von sich behaupten. Aber, ernsthaft: Dann schon eher irgendwelche Heimwerker-Tutorials, wie man eine Bohrmaschine richtig bedient oder Setzrisse im Mauerwerk fachmännisch verspachtelt. In Corona-Woche 7 habe ich mich dann doch dabei ertappt, wie ich folgenden Link über ein Haarschneide-Tutorial anklickte.

Er wurde mir auf meinem Handy als für mich interessant vorgeschlagen.

Woher bitte hatte Google gewusst, dass ich meine mittlerweile ziemlich wüste „Haarpracht“ immer skeptischer im Spiegel betrachtete?
Hatte ich in letzter Zeit irgendeine neue App oder so installiert?

Die Frage nach der Dunkelziffer:
Wie viele Menschen laufen mittlerweile mit einer „Quarantäne-Mähne“ herum und merken es gar nicht? Bin ich mittlerweile bereits unfreiwilliger Überträger dieses Phänomens? Was sagt die Kanzlerin, was podcastet Drosten?

Sollte ich mich nun für zwei Wochen zu Hause einschließen? Am besten für immer?

Oder wie könnte meine Exit-Strategie aussehen?
Auf jeden Fall brauche ich mehr belastbare Informationen.

Zum Glück betreibe ich schon seit längerem gesellschaftliche Studien, wenn ich meinen Blick von der Arbeit auf die Straße schweifen lasse. Zunächst fiel mir auf, dass immer mehr Menschen diese Gesichtsmasken tragen. So weit, so Corona. Aber woher kommen in diesen Zeiten all diese top gestylten Menschen? Alles akkurat getrimmt, frisiert, rasiert, dies das. Unterliege ich hier nur dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung? Gibt es bereits eine Art Herden-Immunität gegen die Quarantäne-Mähne oder bereits ein wirksames Gegenmittel?

Na klar, entfährt es mir. Die machen es sich selbst!
Ich meine, die können doch nicht alle zufällig einen Hairstylisten im näheren Verwandtenkreis haben oder? Also schneiden sie sich die Haare einfach selbst. Wahrscheinlich mit einem dieser High-Tech- Haartrimmer aus der Weltraumforschung. Selbstschärfende Titanium-Klingen mit Hyper-Glide-System usw. …

Nun sind wir also wieder an dem Punkt mit dem Videolink und mir wurde klar:
Ich musste handeln. Keine Zeit mehr verlieren. Also machte ich das, was mündige Männer im digitalen Zeitalter eben so machen:
Ich wälzte Testberichte im Internet. So etwas kann ich, darin fühle ich mich sicher. Schnell waren einige mittelpreisige, dennoch gute Preis-/Leistungssieger herausgefiltert. Schnell auf die Bestellseite mit dem besten Angebot und…

„Nicht mehr auf Lager“, „Nicht verfügbar“, „Lieferzeit ca. 12 Wochen“, …

12 Wochen Lieferzeit?! Soll ich dann etwa aussehen wie Tom Hanks am Ende von Cast Away, der Verfilmung von Robinson Crusoe, oder was?!

Zottelhanks

Schweiß brach mir aus. Ich wollte nicht schon wieder der letzte sein. Kein Klopapier, keine Backhefe – kein Haarschneider? Und überhaupt, warum bin ich nicht kurz vor Lockdown noch einmal zum Friseur. Auf dem Weg dahin gleich noch ein paar Pakete Nudeln…

Die verzweifelte Suche ging weiter. Andere Preissegmente wurden gescheckt. Oh mein Gott, selbst gebraucht sind die Dinger mittlerweile um 200% teurer!

Nur die total schrottigen oder richtig teuren Geräte sind noch in Restbeständen verfügbar. Die Entscheidung wird immer größer. Sagt man nicht: Kaufst du billig, kaufst du 2x. Aber 100€ für einen Haarschneider? Landet der nach 2 Benutzungen neben den Fitnessgeräten und dem Dampfgarer im frisch aufgeräumten Carport?

Mein totaler Anfänger-Blogger Status reicht wohl noch nicht dafür aus, dass Hersteller mir massenweise Geräte kostenlos zusenden… (Ansonsten tut euch keinen Zwang an!)
Obwohl ich ja kein völlig unbekannter im Friseursektor bin. Zumindest innerhalb unserer dreiköpfigen Familie. Immerhin habe ich unserem 4-jährigen Sohn schon mehrmals mit der Bastelschere die Haare geschnitten. Mit vielversprechenden Ergebnissen, wie ich finde.

Und dann die wirtschafts-philosophische, ja sozialpolitische Komponente des Ganzen. Bedeutet eine größere Investition nicht eine klare Abkehr von meinem Stammfriseur. Der freundliche Kurde, der mir immer einen Chai angeboten hat, wenn er mir in ca. 10 Min. für ca. 10€ die Haare schnitt. Ganz ungelogen ein wahrer Virtuose an der Schere. An einem guten Tag hat er mir sogar noch die Ohrhaare mit einem Feuerzeug weggekokelt. Mein Sohn liebte ihn für diesen Trick.
Aber wann macht der überhaupt wieder auf und zu welchen Bedingungen?

Okay, ich drücke auf den Bestellbutton. Ich kaufe das teure Teil.
Willkommen an einem Wendepunkt meines Lebens. Mein ganz persönlicher „Frexit“.

Weiter mit Teil 2